Karin Rosemarie Bleser

 Anmerkungen zur Ausstellung im Kunstverein Offenbach 2018

 

Die Fotokünstlerin Karin Rosemarie Bleser stellt im Juni 2018 gemeinsam mit der Fotokünstlerin Jutta Hilscher, deren Metier ebenfalls die Fotografie ist sowie dem Bildhauer und Installationskünstler Josef Ruppel in den Räumen des Kunstvereins Offenbach aus.

Ihre Arbeitsräume befinden sich nicht weit entfernt im Atelierhaus B71 in der Bettinastraße im Offenbacher Nordend.

 

Seit über 12 Jahren zeigt sie regelmäßig ihre Arbeiten, natürlich auch im Atelierhaus B71; besonders hervorzuheben sind Präsentationen im Frauenmuseum in Bonn und Ausstellungen während der Offenbacher Kunstansichten.

 

Innerhalb der Fotografie beschäftigt sie sich mit der Sofortbild-Technik, die unter dem Markennamen Polaroid vor über 80 Jahren in den USA erfunden wurde. Mit diesen Sofortbildkameras können belichtete Bilder in wenigen Minuten hergestellt werden; Instant-Fotografie auf einem speziellen Papier mit einer ganz eigenen Haptik.

Alle Prozesschemikalien sind in diesem Trägermaterial enthalten, so wird die schnelle Fertigstellung ermöglicht.

 In Zeiten digitaler Massenproduktion - mit jedem Mobiltelefon können unkompliziert und einigermaßen brauchbare Fotos produziert werden - scheint die Instant Fotografie ein altertümlich Verfahren zu sein.

Sofortbild-Fotografie steht kaum im Fokus der Kunstinteressierten, dabei benutzten Künstler wie der Fotograf Ansel Adams, der auch als technischer Berater für Polaroid tätig war, oder weltberühmte Künstler wie Andy Warhol dieses Medium. Eine der wenigen Ausnahmen einer öffentlichen Würdigung markiert eine große Ausstellung in Düsseldorf im Jahr 2012.

 

Polaroid-Bilder besitzen durch das vorgegebene Format und das unverwechselbare Papier eine eigene Sinnlichkeit. Ein Polaroid-Bild ist singulär in der Anmutungsqualität und in der zugrunde liegenden Technik unverwechselbar. Die Bilder sind in ihrem Medium nicht reproduzierbar, eine seltene und bemerkenswerte Ausnahme in unserer vervielfältigbaren Welt, in der so vieles einfach nur kopiert wird und in der copy and paste oft für die einzige Realität gehalten wird. Das macht diese Technik einzigartig und jedes kleine Werk zum Unikat.

 

Karin Rosemarie Bleser benutzt seit vielen Jahren die Technik von Polaroid für ihre Kunst. Oft entstehen Serien, bei denen sie sich mit einem Motiv oder einer Themengruppe intensiv auseinandersetzt. Die realen Vorbilder findet sie in ihrer unmittelbaren Umgebung. Ihre Aufmerksamkeit gilt dabei winzigen Details und versteckten Einzelheiten, die sie durch ihre Kunst in den Mittelpunkt rückt. Aufnahmen der heimischen Einrichtung oder Sichtachsen am Offenbacher Hafen erhalten durch Spiegelungen des abgelichteten Motivs zusätzliche Ebenen, die den Bildern weitere Facetten hinzufügen. Die Bilder erscheinen zart und melancholisch, gleichzeitig aber auch grob und rau, Karin Rosemarie Bleser hält die Balance zwischen Distanz und Nähe und verdichtet virtuos die Bildelemente zu geschlossenen Kompositionen. Dazu treten experimentelle Arbeitsschritte, bei denen sie chemische, mechanische und digitale Eingriffe an den Bildern vornimmt. Wenn die Sprache auf experimentelle Fotografie kommt, ist einer der wichtigen Referenzpunkte der amerikanische Künstler Man Ray, der wie kaum ein anderer neue Wege beschritten hat. Sein Einfluss auf zahllose nachfolgende Künstler zeigt sich besonders bei seinen experimentellen Arbeiten, die er als Rayographie bezeichnet hat. In dieser Tradition führt auch Karin Rosemarie Bleser eine eigene Wortschöpfung ein, die Polarscannographie.

Diese Wortkreation ist gut gewählt, der Begriff vereinigt die Worte Polaroid und Scan, wodurch sie auf wichtige Techniken in ihrer Arbeit hinweist.

 

Wortkreationen spielen aber noch eine andere Rolle im Werk von Karin Rosemarie Bleser.

Ihre Lyrik fasst Eindrücke in Worte, nicht als eine Ergänzung zu den Bildern sondern als eine gleichwertige Kunstform, die sich mit den Bildern wechselseitig rückkoppelt. In der Schriftform schwingt die Anmutung der Bilder mit.

Bei Events, die eine Performance mit Lesung, Musik und Bildern beinhalten, zeigt sich ein Gesamtkunstwerk zwischen den Polen dieser Kunstformen.

 

Jens Lay, Kunsthistoriker im Juni 2018

 


"..Fotokunst besonderer Art pflegt auch Karin Rosemarie Bleser mit ihrer Polaroid Art. Mit monochromen Sofortbildfotos erreicht sie atmosphärische Verdichtungen und mystische Visionen von Stadtoasen, die etwas von einer fata Morgana haben."

Reinhold Gies, Offenbach Post Mai 2017


 

"Zahlreiche Wirkungsfelder haben sich inzwischen für Künstler herauskristallisiert oder wurden von Künstlern speziell erschaffen. Die künstlerische Fotomontage entwickelte sich zu einem der malenden Kunst gleichwertigen Kunstobjekt.

 

Und damit sind wir bei Karin Rosemarie Bleser und ihrer besonderen Fotokunst angekommen, die so viel Wundervolles und Spannendes und oft auch Farbintensivstes erschuf, einer ganz speziellen und faszinierenden Bildkunst der Polaroidkunst.

 

Mit jeder neuen Idee bringst sie auch der Fotografie in der Kunst ein Stückchen weiter. Das ist wahrlich nicht einfach, denn wie wir wissen, war der Weg von der abbildenden Kunst und Malerei, ihre Befreiung von festgeschraubten Strukturen mit zahlreichen Ausflügen in die Musikgeschichte und die Verknüpfung von Musik und Malerei, von Tönen und Farben, über die Fotografie, die sehr wohl malerische Momente enthalten kann, bis hin zum Tonfilm und Musikvideo ein kulturell betrachtet sehr anstrengender. Es ging immer um Entfaltung und Entwicklung und um Freiheit im Denken und „freies Empfinden dürfen“ und um Differenzierung und auch darum, Neues für uns Menschen zu erschaffen, also noch differenzierter ausgedrückt, um „Neues zu entwickeln“. Und genau das tut Frau Bleser, sie „entwickelt“Neues.

 

Und schafft es durch ihre Kunstwerke eine große Intensität zu erzeugen. Ich verspüre immer den Wunsch, mich den Kunstwerken annähern zu wollen. Sie wirken auf mich ein und verändern mich. . Ich betone das Wort Kunstwerke. An der Polaroidkunst der Karin Rosemarie Bleser kann man sehen, dass sie den Schritt von der einfachen Fotografie – die früher, wie meine Ausführungen zeigen, eher als handwerkliches Hilfsmittel für die Kunst verstanden wurde – zur bildenden Kunst bestens vollzogen hat.

 

Zu sehen in ihren Polarscannographien der Serie Lichtbilder, die in Farben explodieren, aber auch andere Arbeiten faszinieren den Betrachter. Serien in Farbenpracht wechseln mit Schwarz-Weiß Arbeiten ab und bilden dadurch eine große Bandbreite an Farbkomponenten; unser Sehvermögen wird dadurch ausgelotet und angestachelt. Ein hervorragender Spannungsbogen der Unterhaltung entsteht.

 

Bleser schreibt: „Von der Illusion des Sehens und inneren Entwicklungsprozessen stellen die Bilder die normalreale Wahrnehmung in Frage und entführen in fremde Welten mit differenzierter physikalischer Gesetzgebung.“  Und wahrlich, das tun sie.  Manche der Kunstwerke sind auf den ersten Blick, also im ersten Moment des Sehens, einfach erst mal  schön. Mir entfuhr ein „Ahhhh“ beim Ansehen. Sie sind schön auch im Ausstrahlen von Harmonie. Aber die Bilder sind auch verwirrend. Sobald man anfängt, sie genau zu betrachten, eröffnen sich Räume. Verwirrend insofern als Bilder in der zweidimensionalen Ebene ( Höhe mal Breite, a cm x b cm ) liegen, Räume aber aus zweidimensionalen Ebenen zusammengesetzt sind und damit im dreidimensionalen Bereich (Höhe mal Breite mal Tiefe, a x b x c)  liegen. Wie kann das sein? Was macht beim Betrachten unser Gehirn mit uns?

 

Ich fühle mich an die Trompe-l’œil Malerei erinnert ohne dass es sich hier um diese handelt.  Aber dennoch, da besteht ein Zusammenhang. In der Trompe-l´oeil Malerei handelt es sich um eine   illusionistische Malerei, die mittels perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vortäuscht, und was macht die Polarscannographie der Bleser?  Genau das Gleiche.

 

Und dann die Frage, die sich anschließt, ob denn das, was man meint zu sehen, auch das ist, was man da sieht. Schälen sich beim Betrachten bekannte Gegenstände heraus oder ist es eine Täuschung, der unser Gehirn unterliegt. Gibt es die Ecken und Kanten, die Formen und die Farben überhaupt in unserem normalrealen Leben?

 

Bleser schreibt „normalreal“, einen Begriff, den ich zuvor noch nie gehört habe, ihn aber sehr gut nachvollziehen kann, so dass ich ihn hier direkt auch übernommen habe. Bleser schreibt weiter: „Vom Gegenstand zur Abstraktion und von der Abstraktion ins Gegenständliche. Im Konzept ihrer Polaroid-Art bestehe ein enger Zusammenhang zu Licht- und Temperatureinflüssen, Zeit und Ort sowie chemischen Prozessen.”

 

Aus der Geschichte der Fotografie wissen wir, dass es zahlreiche unterschiedliche Bearbeitungsprozesse für Fotografien gibt. Fotografien können sich durch Lichteinflüsse verändern, heller, dunkler, matter, leuchtender oder flirrender werden. Chemisch behandelt verändern sie ihre Oberflächenstrukturen und erzeugen ein anderes Bild als das ursprüngliche. Im Korngrenzenbereich der Ränder finden verdichtende oder auflösende Molekülbewegungen statt. Und, Zeit und Ort sind zum einen Faktoren für das Bildobjekt selbst, hier fallen Fragen an wie „ist es zu kalt ?“, „ist es zu warm ?“, „ist es zu spät oder zu früh für guten Lichteinfall ?“ oder „…wurde ausreichend lange belichtet?“ und viele andere Fragen mehr als auch Zeit und Ort selbst Einfluss nehmende Faktoren für den Künstler sind, der ein Kunstwerk schaffen will. Auf den Künstler selbst wirken Zeit und Ort also auch ein.

 

Blesers Leidenschaft sind die Polaroidsofortbilder, da sie deren Entwicklungsprozess bewusst beeinflussen kann.  Sie setzt sich intensiv mit chemischen und manuellen Prozessen der analogen Instantfotografie (Polaroidsofortbild) auseinander. Sie bearbeitet das Polaroidsofortbild während des gesamten Entwicklungsprozesses und kann inzwischen nach Experimentierphasen gezielt ausgesuchte Abbildungsprozesse erzeugen. Diese Planbarkeit gibt eine gewisse Sicherheit im künstlerischen Wirken ist aber dennoch nie hundertprozentig bestimmbar. Ein Rest von Unwissenheit, so die Aussage von Bleser, bleibt. Diese dadurch auftretende Ungewissheit und das Warten auf das Ergebnis sei die spannendste Phase. Danach folgt ein Entscheidungsprozess, ist die Arbeit brauchbar oder nicht. Soll es digital oder nicht digital bearbeitet werden. Die Motive sind oft ihre eigenen Spiegelbilder und Licht. Bleser wird durch den Arbeitsprozess und das daraus resultierende Ergebnis stark inspiriert, und sie findet das Spiel mit der Reflexion faszinierend.  Bleser achtet auf Details und versucht die Ästhetik von Gegenständen sichtbar zu machen, zielt darauf das Wahrnehmen von scheinbar Unsichtbarem zu erzeugen. Da sie sich wie bereits gesagt für Details interessiert, hält sie es auch für folgerichtig, diese in ihrer direkten Umgebung  aufzuspüren.

 

Heute kehrt die Künstlerin von ihren Lichtbildern, die  teilweise noch zu großformatigen abstrakten Bildern  transformierten in ihren aktuellsten Werken zurück zu gegenständlichen Arbeiten. Sie abstrahiert hier auf möglichst wenige Komponenten wie Farbe, Form, Linie und Textur ganz – so Bleser – im Sinne des minimalistischen Stils. Der minimalistische Stil strebt nach Objektivität, schematischer Klarheit, Logik und Entpersönlichung und weist sich u. a. durch das Reduzieren auf einfache und übersichtliche, meist geometrische Grundstrukturen aus. Die Interpretation und Bedeutung eines Werkes wird somit dem Betrachtenden überlassen. Das Weggelassene, sagt Bleser, ist Bestandteil des Sehens.

 

Die Kreativität  ist für mich  ein Familienmitglied der Abstraktion. Karin Rosemarie Bleser ist also auf dem richtigen Kunstweg."

 

 Einführungsrede Vernissage "to be abstract is to be an abstraction" am 10.04.2016

© Ingrid Wiche, Treib-Art- Kunstmanagement, Unterlenningen

ehemals Vorstandsfrau von FORUM KÜNSTLERINNEN e.V., Stuttgart

 


"Die Künstlerin nutzt unterschiedliche fotografische Möglichkeiten, um die Reflexion ihrer Wahrnehmung zu visualisieren. Sie positioniert sich in der fotografischen Malerei und konzentriert sich darauf, in den Entwicklungsprozess des Polaroidsofortbildes mit haptischen Mitteln gezielt einzugreifen. Digitalisiert entstehenkomplexe strukturen mit Licht- und Farbrefelexen. Analaog hierzu nutzt sie die Möglichlkeiten der digitalen Spiegelflexfotografie. Formen finden ihren ausdruck durch Farbgebung und dem Spiel mit Unschärfe im Grenzbereich von Abstraktion und Gegenständlichkeit. DieWerke der Künstlerin stellen die reale Wahrnhemung in Frage und entführen in die Welt eigener Assoziationen."

 

aus dem Katalog zu Kunstmess25 - Frauenmuseum Bonn